Ein Team von qualifizierten Mitarbeitenden ist für das Wohl der Bewohner des Hirzelheimes besorgt.
Auf persönliche und ganzheitliche Betreuung wird grossen Wert gelegt.
Das Hirzelheim soll für die Bewohner ein beglückendes Zuhause sein.
Niemand hier macht «nur» einen Job
Bei einem Personalbudget von 10 Stellen, verteilt auf 20 Personen, ist klar: Hier braucht es vielseitige Generalisten, die mehrere Ausbildungen vorweisen und somit in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden können. Susanne Ammann zum Beispiel absolvierte sowohl die Ausbildung als hauswirtschaftliche Betriebsleiterin als auch als Fachfrau Gesundheit. So leitet sie die Hotellerie und arbeitet auch in der Pflege/Betreuung. Die Ganzheitlichkeit von Pflege und Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner steht im Zentrum. Das bedeutet Selbstbestimmung: Das Frühstück wird individuell serviert («Niemand muss bei uns um 8 Uhr aufstehen!»), und wer nachts um 2 Uhr ein Joghurt möchte, erhält dieses auch.
Ganzheitliche Pflege und Betreuung
Ganzheitliche Pflege und Betreuung bedeutet ein achtsames Eingehen auf jeden Menschen, und dabei hilft die Frage: Wie stelle ich mich der Aufgabe, die mir mein Gegenüber stellt?
Animation und Beschäftigung wird nicht als separate «Dienstleistung» verstanden, sondern situativ in den Alltag eingeflochten. Wer kann und mag, hilft mit beim Einkaufen, Kochen oder Waschen. Eine tolle Idee sind die mit Erde gefüllten, bepflanzbaren Einkaufswägeli. Wenn es regnet, werden sie ins Haus gefahren und die Hobbygärtnerinnen können im Trockenen arbeiten.
Das Heim im Wandel der Zeit
Das Hirzelheim wurde 1912 als «Taubstummenasyl» für gehörlose Frauen gegründet. Heute wohnen nur noch zwei Gehörlose hier, die anderen 12 Personen sind hauptsächlich ältere hörende Frauen und Männer aus der Region. Im Hirzelheim fand Integration in der umgekehrten Richtung statt: Hörende integrierten sich in eine Institution für Gehörlose. Hier leben 14 Menschen mit verschiedensten Ansprüchen zusammen: Die 54-jährige topfitte gehörlose Frau lebt ein anderes Leben als der noch rüstige Mittsechziger mit Demenz, und dieser wiederum hat andere Bedürfnisse als die pflegebedürftige 90-Jährige.
Zum Schnuppern in die Ferien
Es gibt Menschen, die bei einer Vakanz zum Schnuppern in die «Ferien» kommen und gleich bleiben, wenn es ihnen gefällt.
Menschen ausschliesslich mit Hörbeeinträchtigung rücken im Hirzelheim kaum mehr nach. Dennoch erhalten sämtliche Angestellten bei ihrem Jobstart eine Einführung in die Gebärdensprache und dürfen, wenn sie möchten, externe Gebärdensprachkurse besuchen. Und sämtliche Zimmer sind mit einer Lichtalarmanlage ausgestattet.
Nachgefragt Flavia Wiedmer und Hermann Maag über ihr Leben im Hirzelheim
Flavia Wiedmer
gehörlos seit Geburt, Laut- und Gebärdensprache
«Im Hirzelheim möchte ich bleiben, bis ich sterbe»
Wohnort: Hirzelheim in Regensberg, seit 2006
Leben: aufgewachsen in Zürich, Schule in Wollishofen, Lehre als Technische Zeichnerin, Mitarbeiterin im Gehörlosendorf Turbenthal
Frau Wiedmer, was mögen Sie am Hirzelheim besonders?
Ich bin Teil dieser Gemeinschaft, kann das Personal unterstützen und den Bewohnerinnen und Bewohnern helfen. Zudem habe ich seit drei Jahren ein sehr schönes neues Zimmer. Das möchte ich behalten. Im Hirzelheim möchte ich bleiben, bis ich sterbe.
Wie engagieren Sie sich im Haus?
Ich helfe in der Küche, rüste Gemüse, decke Tische, wasche ab usw. In der Wäscherei bin ich verantwortlich für das Bügeln der Flachwäsche an der Mange. Auch bediene ich mit der Getränkebar die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner.
Welches sind Ihre Hobbys?
Am Dienstag gehe ich ins Malen und am Freitag ins Aquafit, beides in Dielsdorf. Ich gehe oft spazieren, besuche Bekannte in Regensberg, bin aber auch gerne in meinem Zimmer und schaue TV oder lese ein Buch. Oder ich mache eine Zeichnung. Zum Beispiel Geburtstagskarten für das Personal. Damit ich fit bleibe, mache ich jeden Donnerstag «Spazieren mit Stöcken» und steige oft die vielen Treppen im Hirzelheim, statt den Lift zu benützen.
Wie hat sich das Hirzelheim entwickelt, seit Sie vor zehn Jahren hierhergekommen sind?
Wir sind nur noch zwei gehörlose Frauen, früher waren es acht gehörlose Personen. Aber das ist kein Problem für mich. Wenn ich kommunizieren will, kann ich meine Wünsche auch aufschreiben.
Haben Sie Kontakt zu anderen Gehörlosen?
Ja, ich gehe regelmässig aufs reformierte Pfarramt im Gehörlosenzentrum Zürich Oerlikon. Und mache Ferien mit einer Gehörlosengruppe.
Ein ganz spezieller Aufsteller im Hirzelheim?
Ich habe viele Kontakte zu Besuchern. Einmal ging ein Bewohner mit seiner Tochter ins Kino, und sie hat mich spontan zu diesem Kinoausflug eingeladen.
Hermann Maag
hörend, Lautsprache
«Ich mag die Leute und die Umgebung hier»
Wohnort: Hirzelheim in Regensberg, seit 2016
Familie: zwei Töchter, zwei Grosskinder
Leben: ehemaliger Bäcker/Konditor mit eigenem Geschäft in Niederglatt; danach 20 Jahre tätig in der Luftfracht (Bedienung der Hochregallager) im Flughafen Kloten
Herr Maag, wie würden Sie sich charakterisieren?
Als ruhig und genügsam – ausser beim Essen (lacht).
Beim Mittagessen haben Sie von Ihren Reisen erzählt. Welche war für Sie die eindrücklichste?
Jene nach Südamerika. Da war ich viereinhalb Monate unterwegs und habe 11 Länder besucht. Am besten hat mir Rio de Janeiro gefallen.
Sie wohnen erst seit letztem Dezember im Hirzelheim. Wie gefällt es Ihnen hier?
Es ist super. Ich habe davor in einer anderen Institution gewohnt, war dort aber zu weit von meinen beiden Töchtern entfernt. Ich kam ins Hirzelheim in die «Ferien», und es gefiel mir so gut, dass ich gleich blieb. Es ist sehr familiär hier, ich mag die Leute und die Umgebung.
Was machen Sie am liebsten?
Zeichnen. In meinem Zimmer male ich Mandala-Bilder. Und ich helfe beim wöchentlichen Einkauf. Schön ist auch, wenn meine Töchter vorbeikommen. Die eine arbeitet hier in der Nähe als Gemeindeschreiberin, mit ihr besuche ich die beiden Restaurants hier, den Löwen und die Krone. Letzthin hat in der Krone ein Pianist gespielt, das hat mir sehr gefallen.
Wenn Sie für einen Tag Hirzelheim-Leiter wären: Was würden Sie verändern?
Nichts!
An diesem Februarmorgen ist es ruhig im Hirzelheim. Vor drei Tagen ist eine Bewohnerin gestorben, im Flur stehen eine Kerze und ihr Foto.
Vor eineinhalb Wochen gab es noch einmal ihr Lieblingsessen – Speck und Bohnen –, weil klar war, dass es aufs Ende zugeht.
Die kleine Gedenkstätte ist nicht das Einzige, was an sie erinnert: An ihrem Platz im Essraum stehen leuchtende Osterglocken.
Der Holzkünstler, der gerade am Tag nach ihrem Tod vorbeikam, um Kunstwerke aus einem Zwetschgenbaumstamm zu fräsen, verwandelte eines der übriggebliebenen Holzstücke in einen Engel.
Das zeigt: Menschen sind hier keine Nummern. Sie werden betreut und gepflegt, sichtbar bis über den Tod hinaus.
«Hier wird niemand ins Spital abgeschoben.»
Begleitung, wenn das Ende naht
Die alten Menschen dürfen fürs Sterben im Hirzelheim bleiben: «Hier wird niemand ins Spital abgeschoben.» Ist der Tod nahe, werden die personellen Ressourcen vorübergehend aufgestockt. So, dass in Zusammenarbeit mit den Angehörigen eine 24-Stunden-Sitzwache gehalten werden kann. «Das ist bereichernd, aber auch sehr intensiv», erzählt die Heimleiterin aus eigener Erfahrung. Im Personalzimmer liegt ein Gedenkbuch. Stirbt jemand, so hält die Pflegerin, die diese Person zuletzt begleitet hatte, ihre Erlebnisse darin fest. Eine Möglichkeit, das Erlebte zu verarbeiten.